Asking the 4key questions

Im Zweifel für den Angezagten

Wieder wieder

by ringlundmatz

Ich frage mich, ob das eine Kategorie ist, menschliche Größe?
Dr. Frost löffelte ungerührt sein Eis in sich hinein. Spaghettieis. Seit er vom Effekt der Spaghettisierung vor Schwarzen Löchern gelesen hatte, faszinierten ihn diese langen italienischen Hartweizenprodukte. Mit Erdbeersoße war das Phänomen ihm allerdings am liebsten.
Manche Leser denken, geistige Größe sei eine Frage der Seitenzahl, sagte, glaube ich, Fischer. Friedrich Fischer, Assistent von irgendeinem Arschloch auf dem Zertifizierungsflur II (gesprochen: „Römisch Zwei“). Er hatte Psychologie studiert, war nach der Trennung von der Mutter seines Sohnes aber selbst in psychologischer Behandlung gelandet, was einen Prozess radikalen Umdenkens bei ihm ausgelöst hatte.
Tom Dilfinger, Leiter des Departments „Storyline and Plotpoints“, tröpfelte den Rest Beck’s ins Glas und äußerte nachdenklich, als sollte es am besten für die Nachwelt schriftlich festgehalten werden: Als ich mit dem Schreiben anfing, da trieb mich der Wunsch um, alle menschliche Bewusstseinstätigkeit nachzubilden.
Und heute lassen Sie nur noch Leute von Hochhäusern an Helikopterkufen springen, hahaha!
Ach, Albmar!, dachte da Dr. Frost. Halb war er unmöglich, halb unverzichtbar. Ob er in seiner Lyrik auch immer so treffsicher war? Immerhin, von dem stämmigen Weizenbiertrinker stammte die Bemerkung, „Lyrik“ sei in den allermeisten Fällen die Zusammenziehung von „Lügendreck“.
Dilfinger winkte ab. Die Idee des Romans hat etwas ungeheuer Pathetisches, sagte er herablassenden Tones. Die ganze Welt in ein paar Seiten packen?
Plötzlich aber wechselte er das Register. Schön und gut, er machte einen Haufen Geld mit seinem Job, jeden Morgen parkte er einen Maserati auf dem Cyclops-Media-Parkplatz, der mit seinem Namensschild markiert war; sub specie des Digitalen Kapitalismus hatte er allen Grund, stolz auf sich zu sein. Aber trotzdem. Es hatte eine Zeit gegeben, da er … Eine Weile hatte er überlegt, einen Reader mit seinen schönsten und blödesten Absagebriefen zusammenzustellen.
Ich hab immer gedacht, Talent wird erkannt, sagte er traurig.
Dieses Bekenntnis brachte ihn aus der Balance. Am liebsten hätte er in diesem Moment seinen Maserati gegen eine Wand gefahren.

by phorkyas

guckst du: da

Man schreibt also für die Öffentlichkeit …

by ringlundmatz

Ich kenne die Öffentlichkeit nur als Schweigen. Irgendwann hat das dazu geführt, dass ich mir Dialogpartner in meinen Texten ausgedacht habe, damit das Schweigen wenigstens in der Fiktion unterbrochen, aufgehoben würde.
Das Schweigen ist ein Gebrumm, keine Stille. Es ist das Ausbleiben von etwas, eine Leere, ein Phantomschmerz. „Müsste da nicht Beifall kommen? Wenigstens ein wütender Zwischenruf?“ Man starrt angestrengt ins Schwarze, von der Bühne aus, und obwohl man meint, dort draußen Gesichter zu erspähen, die Umrisse von Gestalten, bleibt jede Reaktion aus.
Wobei das nicht ganz stimmt. Für meinen Roman „Hohlkörper“ habe ich eine deftige Klatsche bekommen, von einer Hannoveranerin, die sich gute Unterhaltung erwartet hat, eine saftige Mediensatire, und dann kommt da dieses dürre Stück Kommunikationsstörung daher. Das stimmt, das war sicher ein Schock. Bei Amazon schlägt sich diese Enttäuschung sofort in einem Stern nieder, anders gesagt: in vier fehlenden Sternen, in einer schallenden Ohrfeige. Daran konnten dann auch die drei ausgesprochen wohlwollenden Rezensionen nichts ändern, weil zwei von ihnen aus meinem bekannten Bekanntenkreis kamen, und die dritte … ich kann es nicht belegen, aber ich hatte den Verdacht, es sei ein Ex-Kollege gewesen, der sich da begeistert für mich stark machte.
Besonders bizarr war meine Zeit als Cartoonist für das Online-Kultur-Portal Perlentaucher. Ich publizierte damals jeden Tag drei Bilder, Fortsetzungen eines postmodernen Bilder- und Bildungsbogens unter dem redaktionell festgelegten Titel „Aufzeichnungen eines toten Lektors“. Genau zwei Wortmeldungen habe ich in, was weiß ich, etwa einem Jahr täglicher Produktion erhalten. Einmal der besorgte Ausruf einer Dame: „Was ist denn aus meinem geliebten Cartoon geworden?“, als ich einmal nicht geliefert hatte oder die Lieferung verspätet online ging. Und das Zweite war eine E-Mail von einem ehemaligen Klassenkameraden, der sich um Kontaktaufnahme bemühte. Ansonsten: schloss sich um meine Bemühungen ein schwarzes Loch. Nicht mal die Redaktion ließ sich zu einer Reaktion herab. Was mich besonders irritierte, weil eine Publikation ja von Feedback lebt, vom Dialog mit der Leserschaft – offenbar aber nicht vom Dialog mit den Beiträgern. (Ich bekam kein Geld für meine Arbeit; vielleicht war das der springende Punkt.)
Aber so ist es eben mit der Öffentlichkeit. Sie macht einen sensibel. Wenn man ohnehin schon eine dünne Haut hat, kann die Begegnung mit der Öffentlichkeit zu einer äußerst schmerzhaften Erfahrung werden. Viele da draußen suchen ihr Heil deshalb in der Attacke. Aggressivität verschafft einem auf jeden Fall Aufmerksamkeit, und sie gibt einem den Anschein der Unverwundbarkeit. Diese Peiniger hauen darum erst einmal richtig drauf, hauen erst mal zu, sie stoßen, drängeln, schließen die Augen und rammen mit dem Ellbogen ziellos durch die Luft. Ich habe schon erlebt, wie manche sich entschuldigt haben, wenn ich dann mäßigend, vernünftelnd, freundlich noch einmal nachgehakt habe, auf das Missverständnis hingewiesen, in die richtigen Bahnen gelenkt. Dauernd kann man das aber auch nicht machen.
Im Ernst will man das nie machen müssen.
Ich glaube, daher kommt es auch, dass unsere Öffentlichkeit so flach und polemisch, so säurescharf und dabei todlangweilig geworden ist. Alles Persönliche fehlt, der persönliche Standpunkt. Zum einen hat das mit dem Verschwinden (oder Aussterben) der Geschichte zu tun; niemand hat im Ernst mehr wirklich etwas zu sagen. (Unabweislich wird diese Erkenntnis, wenn man Imre Kertész in seiner „Letzten Einkehr“ liest.) Zum anderen aber ist diese Versachlichung sicher auch eine Schutzfunktion. Niemand will sich dem da draußen, dieser hechelnden Mördergrube, mit seinem echten Ich aussetzen. Also schafft man sich einen Avatar aus Meinungsstahl. (Es gibt einen Film mit Bruce Willis, fällt mir da gerade ein, in dem Willis, ein Polizist, ganz bequem von Zuhause aus mit einem solchen ferngesteuerten Kunst-Ich auf Verbrecherjagd in der feindlichen Umwelt geht.) Soll doch dieser aus neunmalklugen Memen zusammengebaute Roboter auf die Schnauze bekommen! „Wir sitzen derweil zu Hause und schlürfen Rotwein, während wir uns von Netflix die Netzhäute betäuben lassen“ – wollte ich gerade schreiben, da fiel mir die Abgegriffenheit dieses Bildes auf die Füße. Nein, so bequem ist unser Leben ja nicht mehr. Die meisten sitzen zu Hause und arbeiten an der Selbstoptimierung, mit Cycling, mit Yoga oder exotischen Kochrezepten. Aber so oder so gehen wir weiter echten Konfrontationen, echten Erlebnissen aus dem Weg.
Was uns glücklicherweise von Tag zu Tag leichter fällt.

Erst nach dem achten Bier gab er Ruhe

by ringlundmatz

Ich erinnere mich, dass ich das Rauchen von einem Tag auf den anderen aufgeben konnte. Ohne die große Hitler-Geste: „Jetzt werfe ich diese Schachtel Zigaretten in die Donau, um Deutschland zu retten!“ Ganz genau weiß ich es nicht, aber ich glaube fast, ich habe wirklich irgendwann plötzlich gesagt: „Das war’s jetzt“, und danach habe ich nur noch einmal geraucht, in Berlin, elf Jahre später (was waren das damals für Zeiträume! Was sind heute elf Jahre?), als mir, frisch in Berlin angekommen, zusammen mit Ralf, der sich bereit erklärt hatte, meinen Umzugswagen zu fahren, ein Joint angeboten wurde.
Während ich diesen Text schreibe, merke ich, wie wichtig nicht unbedingt ein Publikum, aber die Vorstellung eines Publikums, die Idee eines Publikums ist, wenn man schreibt. Man schreibt anders. Einerseits vorsichtiger. Aber andererseits auch wagemutiger. Nein, stimmt auch nicht. Vorsichtiger. Wagemutig ist nur das Schreiben an sich.
Das Publikum macht einen erwachsen.
Meine Eltern waren fanatische Raucher. Anders kann man das nicht sagen. Gerade für meinen Vater hatte Rauchen einen enormen Stellenwert. Er war immer der Erste in der Familie, der auf den Beinen war. Wenn man morgens in die Küche kam, konnte man sich darauf verlassen, dass sie bereits eingeraucht war. Als wäre der Rauch für ihn das gewesen, was für uns andere Menschen der Sauerstoff ist. Und tatsächlich hatte er eine Aversion dagegen, wenn man in seinem Wohnzimmer die Tür öffnete, um zu lüften. Das brachte ihn auf die Barrikaden. Zu kalt, zu unerfreulich. Zu gefährlich. Russen hätten eindringen können.
Der Krieg war für meinen Vater der absolute Bezugspunkt. Im Krieg waren, meine ich, Zigaretten die Hauptwährung. Nach dem Krieg vielleicht auch noch. Zigaretten waren kostbar, Zigaretten bedeuteten: „Ich atme noch.“ Tote brauchen keine Zigaretten.
Diesen Kausalzusammenhang sah ich damals, als ich von einer Zigarette auf die andere beschloss, mit dem Rauchen aufzuhören, exakt andersherum.
Und deswegen warf ich meine letzte Packung Zigaretten in die Lahn.
Ich sah ihr lange nach, wie sie an den Leichen meiner Feinde vorbeitrieb.

by phorkyas

Daran erkennt man das Ideologische eines jeden Zeitalter: dass es die vorangehenden Epochen als dunkler und unwissender sehen will und sich selbst stets als fortgeschrittener und aufgeklärter begreift. .
(Dabei sagt uns doch die Biologie und jedes historische Zeugnis, dass seit Jahrtausenden unsere Vorfahren ebenso klug und dumm sind wie wir.
Ob man du jetzt ein paar technologische Spielzeuge abzieht oder hinzufügt, ist unsre reine, rohe Denkkapaziät doch gleich geblieben)

Mansplain it to me, baby!

by phorkyas

„Irgendas etwas an dem dem ‚Mansplaining‘ gestern hat mich genervt.“

„Dann erklär’s doch, statt nur zu schweigen.“

„OK. Also der Begriff beschreibt sicherlich etwas. Dass auch auf mich zutrifft. Vielleicht ist das auch schon der Hauptnervpunkt.“

„Dass auch noch immer die überkommenen, patriarchalen Strukturen in deinem eigenen Verhalten drin sind?“

„Klar, das tut weh. Aber man könnt’s ja auch andersrum wenden: Dass wir Männer drauf getrimmt werden, zu verstehen, zu kontrollieren, oder zumindest den Eindruck zu erwecken, als hätten sie den Durchblick und können rhetorisch alles platt machen, auch wenn sie nicht den blassesten Schimmer haben, das ist sicherlich so. „

„Aber jetzt kommt das ‚Aber‘?“

„Ja, von ‚feministischer‘ Seite könnte man ‚Mansplaining‘ wiederum auch nur als rhetorischen Kampfbegriff verwenden?“

„D.h. man braucht man das nur noch in den Raum zu werfen und jegliche inhaltliche Diskussion ist passé? Ja, danke, dass du mir ‚Mansplaining‘ mansplaint hast.“

For those who write

by phorkyas

About the device and why I bought it
The Supernote is an e-ink-tablet, which can automatically convert your handwritten notes into digital documents (just like this one). There are of course other features with e-mail ad calendar, but the main appeal to me was that it is really focused on the „off-line“ writing experience: even if you can sync your notes to the cloud there is no integrated web browser, no multimedia-web-distractions.
And that’s the reason I bought it, because I wanted to dive into writing again. My blog dried out years ago at also other writing attempts dwindled away.
Somehow writing for me always is a physical act, as if I had to wring every word out of my body, as if they were part of my mental skeleton and I had to fight to wrench them out to the daylight. And part of the frustration with that fight is also that the words pulled out seem to have so little in common with the inner words that were fell and dreamed up.
I don’t know if others feel alike, but for me it’s a highly physically act to put all these words together – often when I struggle, a fight that I pick up lesser and lesser, I can feel the exhaustion in my body. So it seemed like a perfect fit having a physical device to write. Maybe that little device could boost my writing spirit a bit.

However owning the device did not turn me into a writer overnight.. And how could it, if I haven’t formed a habit of writing? Just by purchasing that tool, you can’t replace years of work and practice. Well, I have been blogging for about a 15 years, but often so sporadically and very small pieces that it hardly counts. So where do I go from here? Give up altogether or try harder?
The main issue is really time. If I prioritize family, work, hobbies, YouTube, there’s hardly anything left. And all the doubts: Even if I sat down and practiced my craft, would it matter? Should it matter? Our screwed, modern lives have moved on to fast. There’s hardly any room for reading and reflection. The numerous, digital distractions have eaten up all this space: so how should we claw back against the all dominating multi-billion industry?
It’s gonna be tough. And what would be the point anyway? Write long pieces like this that nobody will ever read. The art and media have to evolve to live on. So why this form of art, that’s probably extinct in some couple of years?
What is so special about writing, why should we all knee down in awe before the written document.
A couple of things:

  • our thinking itself, the flow of consciousness is a stream of words. Writing can provide structure
    and meaning to it.
  • the construction of our world, our culture: in the beginning was the word. All the myths and religion
    started in verse and tongues.

Well, some would object, that we moved on to pictures and videos. Those quicker and faster media for our times. But, I would respond, that even they are not without dialogue or script. Every proper YouTube video starts with sketches in words…
But, well I’m, also not sure, maybe Instagram for example reached already a degree of optical
saturation that consumers will sway into a state of speechless oblivion.

von phorkyas

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by phorkyas

Unser Hund ist das zurechnungsfähigste Familienmitglied, dachte ich.
Da drehte er sich wie verrückt im Kreis, um seinen Schwanz zu fangen.

Das Zeitalter der Quantendekohärenz

by phorkyas

Als Ant-man & the Wasp ihren kurzen Auftritt in „Avengers: Endgame“ hatten, wirkte es für mich schon so, als wären die beiden aus einem sehr schlechten Film herübergebeamt worden. „Ant-Man and the Wasp: Quantumania“ ist so etwas wie dieser Film. Er ist so mies, dass er sogar „Iron Man 2“, diese vor Dummheit strotzende Männerphantasie noch untertrifft. Hanebüchene Storyschnipsel, pseudowissenschaftlicher Kauderwelsch, CGI-Feuerblendgranaten, das ist man gewohnt und manchmal sogar schon Teil des abstrusen Genusses bei Marvel, der möglich wird, sofern denn die Story einem glanzvoll aufspielenden Bösewicht genügend Entfaltungsraum bietet oder zumindest irgendeine ethische Frage behandelt wird, die über das bloße: „Wir retten die Welt oder alle möglichen Welten“ hinausgeht.

Wenn aber die Schauspieler stundenlang mit den grässlichsten Dialogplattitüden, durch ein zusammenhangloses CGI-Spektakel stolpern, dann nützt einem auch das beste Cast nicht. Denn einen Charakter oder irgendetwas emotional Glaubhaftes lässt sich in diesen atomisierten Szeneschnipseln nicht entwickeln. Es rührt hier schon an das Star-Wars-Paradox der späteren Episoden: Auch dort schwelgte man so ausgiebig in digitalen geformten Welten, dass diese bunte Vielfalt der imaginierten Welten und Wesen, dann noch das emotional Ansprechendste am Werk war, weil sonst in mehreren Stunden nichts verhandelt wurde, was einer echten menschlichen Regung entspräche. Hier gibt es keine Menschen. Nur digitale Wüstenei.

Wie kann man es dann aber erklären, dass angeblich über 80% der Zuschauer (rotten tomatoes), dieses Machwerk für gut befanden? Ist die Fragmentisierung unsres Denkens an den digitalen Endgeräten, schon so weit fortgeschritten, lassen wir unsere Sinne so vernebeln? In diesem wirre, auseinanderfallende Quatsch ist kein zusammenhängender Gedanke mehr möglich, kein übergreifendes Prinzip sichtbar, kein Sinn erkennbar. Alles zerstiebt im bunten Pixelschnee. Vielleicht kann man sich auch einfach hinabstürzen in dieses Nichts.

Irgendwie müssen Regisseur und Drebuchautor das auch gespürt haben. Wie anders könnte man diese fast entschuldigende Schlusssequenz erklären, in der Ant-Man direkt ins Publikum seine Zweifel addressiert, ob er die Welt nun gerettet oder der Zerstörung preisgegeben, ob das alles überhaupt irgendeinen Sinn habe.