Der erschreckende Abstieg der Blogs
von ringlundmatz
Vielleicht wird den Blogs natürlich auch das zum Verhängnis, was in ihnen immer schon angelegt war: dieses Element von Hochstapelei. Sie waren ja nie, auch die prominenten, auch die mit Nachdruck promoteten nicht, ernsthafte Teile des Kulturbetriebs.
Sie taten so, ja, sie hatten, neben Autoren, die locker mit Friedrich Sieburg hätten mithalten können, auch Kommentatoren, die Fritz J. Raddatz volkstümlich wirken ließen. Immer ganz von oben, immer im ganz big picture unterwegs.
Da wurden die Großen dann unbekümmert nachgeahmt, und niemand sprach die offenkundige Wahrheit aus: dass das alles Karneval war. Es ging um nichts. Es war letztlich nicht ernst, es war Hobby. Hinter der Adorno-Maske steckte irgendein kleiner Plüsch-Teddy.
Und weil diese Blogs nichts riskierten, vermisst sie auch keiner.
Vor allem riskierten sie DAS EINE nicht: auf die Verwertungsspastiken zu scheißen.
Wenn Sie das noch etwas ausführen könnten, Madame. Ich denke, viele unserer Leser tappen bei diesem Kommentar etwas im Dunkeln …
Mich persönlich würde diese Fortsetzung des Kommentars übrigens auch sehr interessieren.
Das „intrigiert“ mich auch. Geht’s da um Monetarisierung, Suchmaschinenoptimierung, Klickzahlmetriken – oder einfach darum dem Publikum nach dem Mund zu tippern?
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass der Begriff Verwertungsspastik ein Plagiat ist. Und ja, es geht um Marktschreierei. Statt sich was von der Seele zu schreiben, schrieb sich die Blogosphäre ins Rampenlicht der Gefälligkeit. Man schielte auf Netzwerktreffen bei der Buchmesse, kleine Auftritte in der Lokalpresse, in erster Linie aber auf den bloßen Internetfame, möglichst Werbeeinblendungen inbegriffen. Austauschbare Inhalte zu verheizen und dabei auf Klickzahlen zu geiern, das funktioniert auf Twitter und Insta natürlich ungleich effektiver, sodass das Geblogge rapide zum lästigen Marketing-Atavismus verkam.
Rätst Du uns … zu Twitter und Insta zu wechseln? Ich muss zugeben, dass Gefälligkeiten ebenso wie Fame bei mir ein bisschen spärlich sprießen. Natürlich auch meine eigene Schuld! Ich bin weit davon entfernt, jemandem einen Vorwurf zu machen! Ich denke, auch Phorky könnte gebrauchen, was man seit einigen Jahren „einen Booster“ nennt.
Ich täte gern hoffen, dass sich nach dem Abwandern der Marktschreier das Bloggen neu erfinden ließe. Geht natürlich schlecht, wenn sogar Bob Macha und Phorkyas dann doch lieber zu Insta rübermachen.
Kommatippfehler
Willst Du eines mehr oder eines weniger?
Ginge beides.
Ockham.
Ja, besser so.
„Zu Insta rübermachen“? Never. Den Augenporno-Reiz dieser Plattform versteh‘ ich von fern, aber da bleib ich lieber beim Wort. Twitter hab‘ ich zumindest mal probiert, aber ohne Teil irgendeiner „Community“ zu sein, schreibt und liest man in die Leere.
„das Bloggen neu erfinden ließe“ – so ähnlich hoffe ich auch, dass wenn wir hier durchhalten, es sich aushalten ließe, in seiner Langsamkeit, Asynchronität, aus der Zeit gefallen sein – ein Blog-Zen.
Nach dem Sterben der Foren und Blogs und kostenloser Spiel- oder Tausch-Börsen fällt mir jedenfalls generell kein Bereich des Internets mehr ein, der nicht bis ins Letzte monetarisiert wäre. Wär‘s nicht schön, wieder Null-Profit-Zonen zum Spielen zu haben?
Vielleicht ist das Fediverse ein solcher Platz (mastodon, GNUsocial etc).
Die meditative Stille auf wordpress (jedenfalls meiner Ecke) lässt mich manchmal fürchten, wir hätten das Zen schon erreicht. Wenigstens unser Schweigen dürfte schwer vermarktbar sein. Ob sich das auch ins Fediverse verpflanzen ließe?
Die Leute stellen dafür heute ja immer Kisten mit „Zu verschenken“-Gegenständen auf den Gehweg vor der Haustür. Vielleicht sollte ich meine Texte auch einfach an die Hauswand hängen? Der Real-Raum als das New Internet?
Ich habe auch mal einen Text ausschließlich in Papier angeboten, das war im Zusammenhang mit Dichtern, die gepflegt herumlaufen oder gammelig. Ein Kritiker hatte sich da einschlägig geäußert.
Ja, warum nicht? Die gute alte Wandzeitung!
Bitte ein paar Details! Was für ein Kritiker? Wo hing diese Wandzeitung aus? Und: Ist der soignierte Thomas-Mann-Look zu bevorzugen oder einer in der Tradition von Knut Hamsuns abgerissenem „Hunger“-Leider?
For further information please check the post „Gör” → https://imdickicht.blog/2015/07/26/goer/ – Der Kritiker war Denis Scheck, der von ihm gelobte ordentliche Dichter (aber er ist ja unschuldig) Jan Wagner.