Kognition
von phorkyas
Dass jemand wie Hofstadter von Physik und AI Forschung kommend so sehr in die Sprache fällt. Das hat schon eine.. gewisse Schönheit, wie er die Komplexitäten herausstellt, die unter der Hand in dem ganz alltäglichen Sprachgebrauch und Kategorisierungen stecken.
Nur mit seiner Betonung der Analogie.. bleibt da nicht auch ein bisschen Unzureichendes: könnte man Blumenberg gedenkend nich auch stattdessen zur Metapher greifen als „Treibstoff unsres Denkens“ – Metaphern von Analogien abzugrenzen, mag gar nicht so einfach sein. Hofstadter selbst spricht davon, dass Analogien einfach so geschehen, spontan, fließend; bei der Metapher kommt jedoch vielleicht noch etwas hinzu, eine bewusste, semantische Färbung, mit der die Übertragung in einen neuen Kontext oder Zielbereich, diesen aufhellt oder so verzerrt, dass so etwas wie Erkenntnis entsteht oder das was der sprachliche Zugriff uns suggeriert: vom sprachlich gefassten Gegenstand etwas begriffen zu haben.
Und noch weitergehend. Könnten wir uns bei unserem Kognitionsbegriff nicht irgendwann vom Logozentrismus entfernen, von dem Sprachfetisch unserer Kultur, den linguistic turn wieder wenden? Ich kam darauf, als ich meinen Sohn beobachtet, der noch fast ohne Sprache ist, aber der nicht nur Personen auf Bildern erkennt, sondern auch Gegenstände und Bilder von Gegenständen unterscheiden kann. Ist dieses Verweis-/Bedeutungsverhältnis z.B. von einem Bild zu einem Gegenstand nicht vielleicht noch grundlegender für das was einmal unser Denken wird.. weil wir damit überhaupt beginnen können, die geistige Gegenstände von realweltlichen zu unterscheiden. (Wenn man diese Dinge so einfach ausdrücken darf… Wahrscheinlich ist dieses Verweis-/Bedeutungsverhältnis – wie die Pointer beim Programmieren – auch recht verzwackt und problematsich, wie schon Platos Ideenlehre.)
Was für ein wunderbarer Vortrag, hab ich mir wahnsinnig gern angeschaut. Sehr, sehr interessant. Ich glaube, gerade weil der Hofstadter von der KI herkommt, interessiert er sich zwar einerseits schon für Sprache, aber die Sprache ist für ihn nur der Monitor, von dem er ablesen will, wie das menschliche Denken als solches funktioniert, was da die basalen Prinzipien und Mechanismen sind. Und es leuchtet mir vollkommen ein, dass er da die Analogiebildung als den ganz grundsätzlichen Motor herausstellt. Ich fand den Moment ziemlich am Anfang so überraschend und erhellend, als er sagt, es gehe ihm gar nicht um das Schlussfolgern oder Urteilen (Reasoning), denn das Analogiebilden sitzt ja viel tiefer im Hirn, und begleitet oder ermöglicht eben alles, was wir im Laufe eines Tages so tun und daherreden. Die wenigsten Sätze, die wir so dahersagen, sind ja Urteile oder explizite Schlussfolgerungen. Trotzdem sagen wir diese Sätze als Ergebnis von permanenter im Gehirn mehr oder weniger automatisch ablaufender Analogiebildung. Mir wurde das völlig deutlich bei seinem Beispiel, wie er gelernt hat, seine Kollegen in Italien korrekt zu grüßen.
Die Metapher ist davon, wie du ja eigentlich eh schon sagst, insofern abzugrenzen, als es sich dabei um ein bewusst eingesetztes Stilmittel handelt. Die Analogien bilden wir in einem fort, es wird uns meist nur halb bewusst, wir können gar nicht anders. Die werden auch als solche gar nicht zu Sprache. Die ermöglichen nur das sinnvolle Sprechen, das Bilden von Kategorien, werden aber eher selten explizit sprachlich ausformuliert. Die Metapher als eine bewusst und zu einem bestimmten Zweck ausgedachte und ausformulierte Analogie bildet so gesehen einen ganz speziellen Sonderfall von Analogie.
Hofstadter hat ja ein ganzes Buch zum Thema Analogie geschrieben, vielleicht les ich das doch mal, der Vortrag hat mir auf jeden Fall Lust darauf gemacht. Mir scheint, dass heute die Leute mehr Philosophisches zu sagen haben, die von Mathematik, Computerei und KI herkommen, als die, die bloß aus der klassischen Philosophie heraus denken. Mir fiel das bei Hofstadters so locker und witzig vorgetragener Rede wie Schuppen von den Augen, wie der da – so ganz nebenbei und ohne das groß zu erwähnen – mal den Aristoteles und den Kant zerlegt, uns zeigt, wie wir immer mit diesen Scheuklappen der aristotelischen Substanzontologie und der kantischen Sprachverengung, die sich in allem Gesprochenen immer nur für die Urteile interessiert, die Sprechen und Schreiben überhaupt mit Urteilen verwechselt, selber dahinrennen.
Ich hatte mir mal das „Gödel Escher Bach“ geholt aber immer nur kleine Brocken daraus angelesen. Leider. Mich hat der Vortrag auch ziemlich begeistert und dafür gesorgt, dass ich das Buch mal wieder rausgeholt habe. – Beeindruckend fand ich, z.B. wie präzise seine Selbstbeobachtung des eigenen Sprechens, (bzw. der eigenen Kognition ist), dass er all diese kleinen Wortverquickungen überhaupt bemerkt hat. Da ist schon viel Sprachsensibilität (Es gibt auch ein paar Videos wie Hofstadter fließend italienisch und französisch spricht, deutsch und russisch habe ich leider nicht gefunden – solche Leute sind für die eigene Nichtbildung manchmal etwas beschämend).
Schön ist auch dieses Zitat:
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Your entry in Wikipedia says that your work has inspired many students to begin careers in computing and artificial intelligence. I have no interest in computers. The entry is filled with inaccuracies, and it kind of depresses me.
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Mit den Redewendungen und Sprachbildern ist er dann ja auch schon fast bei der Metapher. Vielleicht ist das ein Problem: Wenn man Analogie nur weit genug fasst, dann findet man sie schließlich überall. Weiß noch nicht, warum ich mich so etwas gegen seine These sträube,.. wie weiland schon gegen Dennetts Bild vom Ich als dem Zentrum narrativer Gravitation. So ist doch auch Hofstadters Bild von dem subterranean fight of words sehr bestechend.
Aber es sind eben auch: Metaphern. Und das ist so eine Intuition, die sich bei mir festgesetzt hat: dass vielleicht fast immer wenn wir von wir von Erkenntnis, Geistesblitzen sprechen, dahinter so eine Übertragung, Metapher steht, oder mit Hofstadter eben: eine Analogie. Selbst die härteste, abstrakte Wissenschaft ist letztlich getrieben von solchen Metaphern; der DNA als zu knackendem Code des Lebens etc. Diese Wortübertragungen, das Hineinstellen in neue, fremde Kontexte, wobei aber gerade der neue Kontext Sinneinfärbungen aus einem ganz anderen Bereich erhält, das ist für mich vielleicht ein bisschen das Magische von Sprache. – Aber vielleicht ist das gar nicht so weit weg von Hofstadter, der es nur etwas besser ausrücken kann.
„Mir scheint, dass heute die Leute mehr Philosophisches zu sagen haben, die von Mathematik, Computerei und KI herkommen, als die, die bloß aus der klassischen Philosophie heraus denken.“
Ich empfehle zum Thema Günter Buck, „Lernen und Erfahrung“, ein Buch aus den 1960ern, von einem klassisch philosophisch gebildeten Menschen, der überhaupt nicht von Computern und der KI kommt, und der trotzdem alles zu Analogien zu sagen gewußt hat. Meines Wissens hat ihn darin bis heute keiner getoppt.