Wissenschaftskritik I
von phorkyas
Die Ankündigung auf dem Umband, dass uns hier von einem bedeutenden Physiker ein Problem aufgezeigt werde, dessen Lösung die Zukunft der Menschheit mitbestimmen könne, sie hätte sehr skeptisch stimmen können gegen dieses schmale Bändchen. Der große Namen, jedem Physiker von der Heitler-London Näherung bekannt, beruhigte mich, wie auch der erschwingliche Antiquariatspreis den Kauf begünstigte.
Nur das von Herrn Heitler angeschnittene Thema entzieht sich weiterhin einer vernünftigen Bearbeitung, so versuche ich nun zunächst einmal mit der sicher zu bewerkstelligenden Zusammenfassung.
Die „Dämonie der Wissenschaft“
In der Einleitung stellt der Autor ausgehend von der „Dämonie der Technik“ (z.B. Massenvernichtungswaffen oder Entfremdung von der Arbeit) die Frage, ob man nicht auch von einer „Dämonie der Wissenschaft“ sprechen sollte und meint dass der „Leser im folgenden genügend Anhaltkspunkte dafür [fände], daß die gegenwärtige Wissenschaft selbst lebensfremde, sogar ausgesprochen lebensfeindliche Züge [aufweise].“ Die Relevanz dieser Frage ergibt sich auch aus dem „Drang zur Ausbreitung“ der Wissenschaft, mit dem sie schließlich in all unsere Lebensbereiche vordringt. Schließlich sei „[d]as Ansehen der Wissenschaft [..] groß geworden, daß bald jeder, der etwas auf sich hält, glaubt sich ein wissenschaftliches Mäntelchen umhängen zu müssen.“ Wenn statistische Methoden zur Beschreibung von Kriegsausbrüchen verwendet wird und so gerade das Psyschologisch-Menschliche ignoriert wird, so sei das leicht als „Pseudowissenschaft“ oder „wissenschaftlichen Kitsch“ erkennbar. Allgemein sei es fraglich, wenn „Methoden oder Denkweisen, die ursprünglich von den exakten Wissenschaften herrühren [..] auf ganz anderes, z.B. auf menschlische Verhältnisse übertragen werden.“
Von der teleologischen Betrachtung zu kausal-deterministischen Gesetzen
Im ersten Kapitel „Newton contra Kepler“ nimmt Heitler die beiden, um zwei unterschiedliche philosophische Grundpositionen zu kontrastieren. So streicht er hervor, dass Kepler noch ganz im Sinne Pythagoras‘ nach den sphärischen Harmonien suchte. Sein erster Versuch etwa die Planetenbahnen in die platonischen Körper einzuschreiben mutet heute sehr naiv an und seine astrologischen Behauptungen würden ihn gänzlich diskreditieren. Was Heitler hervorstreicht ist, dass Keplers Betrachtungen auf die Planetenbahnen als Ganzes zielen. Für ihn tragen sie Sinn, indem sie die göttliche Ordnung erscheinen lassen. Er nähert sich so der Naturbeschreibung unter einem gewissen metaphysischen „Vorurteil“ – Heitler nutzt die Gelegenheit für die Bemerkung, dass die Physik im Grunde genommen von einer ähnliche metaphysische Leitidee getragen ist; dass der Schöpfer die Naturgesetze in einfacher und mathematisch eleganter Form geschaffen habe. (Selbst wenn wir den Schöpfer dort nun rausoperiert haben, eine Erklärung, warum die Welt mathematisch ist, bleiben wir weiterhin schuldig – gerade auch die Zuflucht der Physiker zum Anthropischen Prinzip ist doch nahe an der Kapitulation, am Zirkelschluss). Newton und seine Nachfolger hätten dies noch laut gesagt. Dass die teleologischen Betrachtungen so ins Hintertreffen geraten sind, dies liegt an dem Erfolg der differentiell-kausal-deterministischen Gesetze als deren Entdecker er Newton nennt (Ganz zu tragen kamen sie dann im Schulterschluss mit der quantitavien Empirie – so spircht Heitler auch von Galilei als als dem „Protagonisten der mordernen wisschenschaftlichen Weltanschauung“). Mit seinem Kraft- und dem Gravitationsgesetz konnte Newton die Keplerschen Gesetze herleiten (auch wenn er selbst dazu die Differentialrechnung nicht bemühte und stattdessen auf komplizierte geometrische Betrachtungen zurückgriff – Hierbei habe ich dann auch noch gelernt, dass Newton aus philosophischer Überzeugung Fernwirkung als absurd bezeichnete, wie andere seine Gravitationskraft beschrieben, er selbst schrieb, dass er die Eigenschaften der Gravitation nicht habe ableiten können, in welchem Zusammenhang auch sein berühmter Ausspruch „hypotheses non fingo“ fällt – Newton „genügte es eine mathematische Erklärung der Phänomene gegeben zu haben und gezeigt zu haben, dass die Resultate seiner Rechnungen mit den Beobachtungen übereinstimmen“ Agustín Udías Vallina – Also im Grunde genommen, eine sehr moderne Position). Seit Newton, so Heitler, beherrsche die Kausalidee nun allmählich die gesamte Wissenschaft. Als Beispiele wie diese nun auch auf andere Wissenschaften übergreift, führt er Darwin oder auch Marx an.
Abschließend geht er noch auf die Gefahren des Determinismus ein, der wenn man ihm entsprechend den freien Willen des Menschen leugne, zu einer Entmoralisierung führe. So kanstatiert er: „Die kausal-deterministische Denkweise hat sicher keinen oder nur einen höchst bescheidenen Platz für alles, was den Menschen angeht. Es dürfte wohl noch eine Skala von Zwischenstufen geben, wo das Prinzip der Kausalität beschränkte Gültigkeit hat. [..] Jede Anwendung auf Menschliches ist nicht nur von Übel, sondern auch gänzlich ungerechtfertigt.“
Goethe contra Newton
Im dritten Kapitel vergleicht Heitler die Farbtheorien Goethes und Newtons. Er besteht darauf, dass auch die qualitative Bezeichnung „grün“ auf der gleichen Stufe stehe wie jegliche andere objektiv-quantitive Beobachtung (z.B. die Messung des Spektrums oder der Wellenlänge). Die exakten Wissenschaften wiesen nur den quantitativ erfassbaren Erscheinungen äußere Realität zu. Die qualitativen würden ausgeschlossen oder umständlich auf quantitative zurückgeführt. So deutet er Goethes Widerstand gegen Newtons Farbenlehre als genau dieses Beharren auf den (unzerlegbaren) Qualitäten. Selbst wenn man diese nur in das Subjekt verbannte, so meint Heitler, hätte man spätestens in der Biologie das Problem, diese zu beschreiben und die Biologie könne dann nicht mit der Auffindung physikalisch-chemischer Wissenschaft auskommen. Schon daran sieht er erwiesen, dass die kausal-quantitative Wissenschaft kein „Weltbild“ ergäbe, sie sei vielmehr nur ein Teilbild, „eine Art Projektion der Welt auf eine kausal-quantitative Ebene“. In der Beschränkung auf diese Projektion sieht er letztlich die Entfremdung der Wissenschaft vom Menschen.
Das Komplimentaritätsprinzip
Ausführlich erläutert Heitler wie in der Quantenmechanik zentrale Begriffe der Newtonschen Mechanik aufgegeben werden müssen. So kann man nicht länger von der „Bahn“ eines „Teilchens“ sprechen. Auch an die Stelle des strengen Determinismus treten nun statistische Aussagen, auch wenn die Theorie als solche kausal-deterministisch bleibt.
Zwei komplementäre Messgrößen, wie beispielsweise Impuls und Ort, können nicht gleichzeitig scharfe Werte annehmen; „die gewonnene Kenntnis [der einen Größe] geht auf Kosten der Bestimmtheit einer anderen Größe“. Zwar ließe sich auch diese zweite Größe nach der Bestimmung der ersten wieder genauer messen, allerdings hat die erste Messung den Zustand schon so gestört, dass bei Messungen an größeren Ensembles von Teilchen größere Streuungen in den Meßwerten der zweiten Messgröße, diese nicht mehr so genau bestimmen lassen würde. (Dieses Prinzip lässt sich leicht veranschaulischen. Würde man zur Ortsbestimmung beispielsweise elektromagnetische Wellen einsetzen, so ist das optische maximale Auflösungsvermögen näherungsweise durch die Wellenlänge der eingesetzten Strahlung gegeben – beim Mikroskop gibt es noch raffinierte Verfahren diesen Beugungslimit noch zu umgehen. Nun steigt mit sinkender Wellenlänge aber die Energie der einzelnen Strahlungquanten, die proportional zur Frequenz ist. Stoßen diese also auf das zu vermessende Teilchen, so kann man sich vorstellen, dass diese das Teilchen stärker herumstoßen und so den Impuls verwischen.)
Bei den erkenntnistheoretischen Schwierigkeiten der Quantenmechanik kommt er auf die merkwürdige Rolle des (bewussten) Beobachters zu sprechen. Darin sieht er ein anderes Beispiel dafür wie schwierig und letztlich willkürlich die Grenzziehung zwischen Subjekt und Objekt ist. Die klassische Physik opfere bei ihrer Grenzziehung zum Beispiel alles Qualitative.
Zuletzt spekuliert er noch darüber, warum „[j]e weiter die Physik fortschreitet, desto größer die Abstraktion [werde], desto ‚höher‘ die Mathematik, die sie benötigt.“ Man könne kaum annehmen, daß ein Planet wisse, „was eine geodätische Linie der Riemannschen Geometrie ist, auf der er sich bewegt“. Man käme deswegen letztlich nicht umhin außerhalb von uns ein geistiges Prinzip zu sehen, das sowohl mit den materiellen Geschehnissen als auch unserer Geistestätigkeit verknüpft sei. Hierauf fügt er einen kleine Hinweis auf Platons Ideenlehre an. Der ja einige Mathematiker und Physiker auch zuneigen, die den abstrakten Begriffsbildungen Urbildcharakter zuschreiben. Abschließend bemerkt er jedoch, dass er sich nicht auf die Platonsche Ideenlehre festlegen wolle, sondern betont, dass sich nur zeige, dass je weiter man vordringe in der Physik (in atomaren und subatomaren Bereich sowie die kosmischen Dimensionen), metaphysische Fragen aufgeworfen würden.
Die Wissenschaft des Lebendigen
Heitler schickt seinen Ausführungen voran, dass er die Erfolge der kausal-quantitativen Richtung der Biologie, von Biochemie und Biophysik (vielleicht auch Genetik?), nicht schmälern wolle. Allerdings nimmt er sich die Frage vor, „wie weit physikalische und chemische Gesetze imstande sind, Lebensvorgänge zu erklären“. Was, wenn die Antwort negativ ausfällt, und Heitlers Ausführungen deuten dahin, doch in Frage stellen würde, ob die Reduktion auf physikalisch-chemische Vorgänge in der Lage ist, die folgenden typischen Lebenserscheinungen zu erklären: „1. Gestalt und Größe eines lebenden Körpers und seiner einzelnen Organe. 2. Die Evolution, die geschichtliche Höherentwicklung von diedrigen Organismen zu höheren. 3. Die Existenz von Bewußtsein in den höheren Tieren und im Menschen.“
Zunächst führt er aus, dass die Vererbungswissenschaft gezeigt habe, dass die ganze Information, die zur makroskopischen Ausbildung der Lebewesen nötig sei, schon in Makromolekülen der Keimzellen encodiert sei. Diese Makromoleküle seien aber von solcher Größe, dass die zu ihrer Beschreibung notwendigen quantenmeschanichen Gleichungen selbst auf Rechnern prinzipiell nicht gelöst werden könnten. In einer Fußnote spottet er ein bisschen über darüber, dass die Gleichungen „im Prinzip“ aber doch alles vorschreiben und beschreiben würden: „‚Im Prinzip‘ ist ein von Physikern gern gebrauchter Ausdruck, der seinen guten Sinn hat, wenn etwas prinzipiell unmöglich ist (wie z.B. die gleichzeitige Bestimmung von Ort und Geschwindigkeit in der Quantenmechanik), der aber wenig Sinn hat, wenn er im bejahenden Sinn gebraucht wird: etwas sei im Prinzip möglich, was praktisch aber in keiner Weise möglich ist und wenn auch kein Weg in Aussischt steht, der die Möglichkeit in die Tat umsetzen könnte. Jedenfalls hat eine solche Behauptung dann einen sehr vagen und hypothetischen Charakter.“
Was die Lebewesen betrifft, so betont Heitler, dass diese ein Ganzes bildeten in Größe, Form und Funktion. Die Zellteilung und -differenzierung folge so schon einer Art „Gesamtplan“, dieses herzustellen. Die Komplexität des Plans und die sinnvolle Anordnung der Organe, etc. untereinander veranlassen Heitler dazu eine zufällige Entwicklung absolut auszuschließen. Um die Absurdität vor Augen zu führen rechnet er die Wahrscheinlichkeit aus nur die erste Zeile des Faustdialogs mit 21 Buchstaben zu erwürfeln und kommt auf eine Chance von 1 zu 10^16. So mag man sich vorstellen wie gering die Chance war in der Ursuppe einen DNA-Strang zufällig zusammenzusetzen. Angesichts dessen will Heitler wohl zurück zu einer teleologischen Betrachtung der Lebewesen und der Evolution. Für einen Biologen sei es sinnvoller „zu fragen, wozu das Organ diene. Die heutige Tendenz ist aber, dies nur als Zwischenstufe zu betrachten, die nach und nach zu dem kausalen Mechanismus, der die Funktion des Organs erklärt, führen soll.“
Als er auf das Bewusstsein zu sprechen kommt, wird Heitler angesichts der Bezeichnung des Computers als „Elektronengehirn“ in einer Fußnote gar polemisch. Laut Zeitungsbericht würden Computer nun schon zur Krankheitsdiagnose eingesetzt: „Kommt es so weit, daß ein Teil der Menschheit einem mechanistischen Wahnsinn verfällt wie in früheren Zeiten dem religiösen Wahnsinn?“
Zuletzt erwähnt er eine von Bohr vorgeschlagene Hypothese derzufolge für die Lebensvorgänge eine Art Komplementaritätsprinzip gelten solle: Eine genaue Kenntnis und Festlegung der materiellen Vorgänge und der Lebensvorgänge schließen sich gegenseitig aus. Insbesondere sei es schwer vorstellbar, „daß man die physikalischen Vorgänge in den lebenswichtigen Gehirnzellen genau untersuchen kann, ohne überhaupt den ganzen Organismus zu töten. [..] Eine Wissenschaft, die sich auf Standpunkt stellt, daß Lebensvorgänge auf physikalisch-deterministische Weise bestimmt sind, und damit durchdringt, kann nur zu einer völligen Einbuße des Respekts vor dem Leben führen.“
Der Kosmos
Zunächst beschreibt Heitler wie der Mensch durch die Kopernikanische Wende seiner zentralen Stellung verlustig ging und streicht hervor, erst „die Trennung von Religion und Wissenschaft“ habe „eine von Metaphysik freien und klaren Blick für die rein physikalischen Realitäten der Außenwelt“ ermöglicht. Das Vergängnisvolle sei, „daß man von nun an in der Physik die einzige Realität sah. [..] Der Mensch wurde zu einem bedeutungslosen Wesen reduziert, und im ganzen erhielt die materialistisch-mechanisitische Tendenz den Auftrieb, den wir schon beschrieben haben.“ In dem Bild, das die Astronomie von unserem Universum zeichnet, sieht er nur den physikalischen Aspekt. Die metaphysische Kränkung weist er kurzerhand zurück: selbst wenn anderswo ähnliche oder andere Lebensformen existierten, sei es doch nicht möglich innerhalb eines Menschenlebens dorthin gelangen. Das irdische Leben (oder falls existent auch das auf Nachbarplaneten) sei für praktische Zwecke eben doch einmalig, und vor allem sei der irdische Mensch einmalig.
Schlußbetrachtung
Neben einer Zusammenfassung des bereits Gesagten, geht Heitler nun auf den Einwand ein, dass Wissenschaft als die Suche nach der Wahrheit weder moralisch oder unmoralisch sei, sondern nur ihre Anwendung. Heitler sieht hingegen eine Gefahr im Totalitätsanspruch der Wisschenschaft. „Eine Teilwahrheit, dei alles sein will, kann aber sehr wohl unmoralisch sein.“ Ziel seiner Untersuchungen sei es gewesen von innerhalb der Wissenschaft an die sie begrenzenden Zäune zu treten, gegen seinen Willen haben sich dabei metaphysische Fragen aufgedrängt. Zu alten, „überkommenen“, metaphysischen Betrachtungsweisen könne und solle man nicht zurück. Das einzige Ziel des Buches sei es gewesen , die Tür aufzustoßen für die weite Landschaft außerhalb des Geheges. Man müsse der drohenden Verödung durch das materialistisch-mechanistische Weltbild entgehen.
Edit: Das besprochene Buch ist: W. Heitler „Der Mensch und die naturwissenschaftliche Erkenntnis“ Vieweg (hier die 2. Auflage von 1962)
Vorab: Man findet in deiner Rezension keinen Hinweis darauf, welches Buch von Heitler hier gemeint ist, ich wüsste das aber gern, denn deine Rezension weckt Interesse daran.
Im ersten Kapitel „Newton contra Kepler“ nimmt Heitler die beiden, um zwei unterschiedliche philosophische Grundpositionen zu kontrastieren.
Ich finde es interessant, dass sich Heitler als Antipoden Von Newton gerade Kepler gewählt hat, ich habe an anderer Stelle da auch von Leibniz gelesen. Die beiden haben sich nicht nur wegen der Urheberschaft an der Inifinitesimalrechnung gestritten, sondern waren offenbar auch in ihrem Naturverständnis nicht einer Meinung. Wenn nämlich Newton seine Gesetzmäßigkeiten in einem absoluten Raum und in absoluter Zeit gelten lässt, dann impliziert das die Existenz einer erweiterten Welt, in der auch Raum und Zeit erklärt (und damit geschaffen werden) können. Folgerichtig kann sich auch Newton nicht von einem wie auch immer gearteten Gottesbegriff lösen.
Heitler nutzt die Gelegenheit für die Bemerkung, dass die Physik im Grunde genommen von einer ähnliche metaphysische Leitidee getragen ist; dass der Schöpfer die Naturgesetze in einfacher und mathematisch eleganter Form geschaffen habe. (Selbst wenn wir den Schöpfer dort nun rausoperiert haben, eine Erklärung, warum die Welt mathematisch ist, bleiben wir weiterhin schuldig – gerade auch die Zuflucht der Physiker zum Anthropischen Prinzip ist doch nahe an der Kapitulation, am Zirkelschluss).
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Dass die teleologischen Betrachtungen so ins Hintertreffen geraten sind, dies liegt an dem Erfolg der differentiell-kausal-deterministischen Gesetze als deren Entdecker er Newton nennt (Ganz zu tragen kamen sie dann im Schulterschluss mit der quantitavien Empirie – so spircht Heitler auch von Galilei als als dem „Protagonisten der mordernen wisschenschaftlichen Weltanschauung“).
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Seit Newton, so Heitler, beherrsche die Kausalidee nun allmählich die gesamte Wissenschaft. Als Beispiele wie diese nun auch auf andere Wissenschaften übergreift, führt er Darwin oder auch Marx an.
Man bekommt viele der erkenntnistheoretischen Rätsel gelöst, wenn man sich von einigen impliziten Annahmen der Naturwissenschaften löst. An anderer Stelle hast du geschrieben, dass physikalische Modelle zur Beschreibung von Leben nichts taugen, weil auf der physikalischen Ebene ein Betonklotz nicht anders beschrieben wird (nämlich durch Teilchen) wie ein Lebewesen. Wenn das so ist, dann ist die erste Schlussfolgerung, dass man die Physik nicht mehr als die grundlegende Wissenschaft (also die Grundlage der anderen) betrachten kann. Physikalische Gesetze bilden unser Wissen über ein Teilgebiet der Realität ab, so wie eben Gesetzmäßigkeiten in der Biologie andere. Den Kitt zwischen den verschiedenen Wissenschaften bildet die Mathematik, weil wir hier auf anderen Wegen zu Erkenntnissen kommen, nicht durch Beobachtung und Experiment, also Extrospektion, sondern durch Denken und Logik, also Introspektion.
Die verschiedenen Wissenschaftsgebiete halten in sich tatsächlich durch Kausalketten zusammen, man findet die Ursachen beobachteter Phänomene. Die Grenzen der Wissenschaftsgebiete werden aber dadurch einerseits durch scheinbar zufällige Einflüsse, andererseits durch emergente Vorgänge gebildet. Hier brechen die Kausalketten ab. Das bedeutet aber lediglich eine Aussage für unser Realitätsverständnis, nicht für die Realität selbst. Die Ablehnung teleologischer Vorstellungen ist völlig in Ordnung, wenn man sich klar macht, dass man damit nicht behaupten kann, im Universum gäbe es keinen Masterplan. Man kann nur mit Sicherheit behaupten, dass unsere physikalischen (Kosmologie) und biologischen (Evolution) Modelle (derzeit?) keinen Masterplan zeigen.
Bei den erkenntnistheoretischen Schwierigkeiten der Quantenmechanik kommt er auf die merkwürdige Rolle des (bewussten) Beobachters zu sprechen. Darin sieht er ein anderes Beispiel dafür wie schwierig und letztlich willkürlich die Grenzziehung zwischen Subjekt und Objekt ist. Die klassische Physik opfere bei ihrer Grenzziehung zum Beispiel alles Qualitative.
Meiner Meinung nach irrt sich Heitler hier, auch die Beispiele mit der Farbenlehre überzeugen mich nicht. Letztlich ist der Unterschied zwischen Qualitativem und Quantitativem eine Frage der Beschreibungsebene. Verschiedene Teilchenarten kann man durchaus als etwas qualitativ Unterschiedliches ansehen, aber genauso als lediglich quantitativ verschieden (Masse, andere Eigenschaften). Auch hier ist es wieder so, dass das nicht Eigenschaften der Realität sind, sondern lediglich unserer Beschreibungen.
Ich glaube nicht, dass es der bewusste Beobachter ist, der die erkenntnistheoretischen Schwierigkeiten verursacht, denn dessen Existenz ist ja Voraussetzung der Erkenntnisse. Es ist die willkürliche Abtrennung des Messobjekts vom Rest des Universums, um seine Eigenschaften zu erfassen. Durch diese Abtrennung gehen den Teilchen Informationen verloren, die von uns dann in Form von Zufallswahrscheinlichkeiten modelliert werden. Durch den Messvorgang wird die Verbindung wiederhergestellt. Wir wissen nur nicht, welcher Wert genau sich einstellen wird, weil das Universum ein bisschen größer ist als der Beobachter und seine Messapparatur.
Zunächst führt er aus, dass die Vererbungswissenschaft gezeigt habe, dass die ganze Information, die zur makroskopischen Ausbildung der Lebewesen nötig sei, schon in Makromolekülen der Keimzellen encodiert sei. Diese Makromoleküle seien aber von solcher Größe, dass die zu ihrer Beschreibung notwendigen quantenmeschanichen Gleichungen selbst auf Rechnern prinzipiell nicht gelöst werden könnten.
Mit dem, was du im ersten Satz geschrieben hast, irrt er sich. Die Erbinformation enthält nicht alle Information, die für das Lebewesen benötigt wird, sondern nur die, die in der Umwelt noch fehlt. Dadurch werden die (physikalischen) Schwierigkeiten aber nicht kleiner, sondern sogar noch unendlich mal größer als Heitler sich das gedacht hatte.
Zunächst beschreibt Heitler wie der Mensch durch die Kopernikanische Wende seiner zentralen Stellung verlustig ging und streicht hervor, erst „die Trennung von Religion und Wissenschaft“ habe „eine von Metaphysik freien und klaren Blick für die rein physikalischen Realitäten der Außenwelt“ ermöglicht. Das Vergängnisvolle sei, „daß man von nun an in der Physik die einzige Realität sah. [..] Der Mensch wurde zu einem bedeutungslosen Wesen reduziert, und im ganzen erhielt die materialistisch-mechanisitische Tendenz den Auftrieb, den wir schon beschrieben haben.“ In dem Bild, das die Astronomie von unserem Universum zeichnet, sieht er nur den physikalischen Aspekt. Die metaphysische Kränkung weist er kurzerhand zurück: selbst wenn anderswo ähnliche oder andere Lebensformen existierten, sei es doch nicht möglich innerhalb eines Menschenlebens dorthin gelangen. Das irdische Leben (oder falls existent auch das auf Nachbarplaneten) sei für praktische Zwecke eben doch einmalig, und vor allem sei der irdische Mensch einmalig.
Das ist ein ganz wunderbarer Gedanke.
(In dem Eintrag davor hatte ich den Hinweis versteckt, dass ich dieses Buch besprechen wollte, durch das vielen Umarbeiten ist der Titel in dieser Besprechung dann rausgefallen, er ist jetzt am Ende des Textes ergänzt. – Leider lässt es sich wahrscheinlich nur noch über Antiquariate beziehen.. Nach dem wir aber die „Grenzen der Naturerkenntnis“ von Du Bois-Reymond in einem Seminar ausgegraben haben, kommt mir Heitlers Traktat doch fast wie eine Wiederholung vor.)
Das Gegenüberstellen von Newton und Kepler hat mir bei der Besprechung auch Probleme bereitet, haben beide in ihrer Wissenschaft einen starken metaphysischen, ja religiösen Hintergrund (das betont Heitler sogar). – Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, hat Newton was wir heute Phsyik nennen auch nur reltiv kurz betrieben und sich dann wieder (vollständig) der Theologie gewidmet (dafür find ich grad keine Belege, aber Newton verblüfft mich doch immer wieder. – Jedenfalls soll er die Dreifaltigkeitslehre abgelehnt haben,.. auf eine Weise, die mir gar nicht so unsympathisch erschien.. – So lese ich gerade auch ein wieder ein Zitat von ihm, in dem er warnt das Universum bloss als einen Uhrwerksmechanismus zu sehen. – War’n damals eben nicht so dumm, wie wir es uns heut zurechtbiegen – Gerade bei dem Du Bois-Reymond Text kommt’s mir so vor, als bekäme man heute nur noch ein paar lose Gedankenfetzen daraus um die Ohren geschlagen).
Ihr Stichwort: Emergenz, bzw. abbrechende Kausalketten. Muss man dann aber nicht auch das Ende des Reduktionismus konstatieren (sogar an jeder dieser Stufen)?
Mit den Qualia bin ich auch nicht wirklich fertigeworden (aber man könnte sie eben auch sehen, als etwas im Sinne von Emergenz unzerlegbares, die persönlichen Farbwahrnehmung „Rot“ – nun, ich habe mir da noch keine abschliessende Meinung gebildet). Nach dem Streit in der Scholastik ist das heutzutage, wahrscheinlich auch im Zuge der Neurowissenschaften, wieder neu entbrannt.. Nur soviel: Ich fand es bemerkenswert, dass Heitler Goethes Theorie würdigt und nicht einfach so fortwischt wie Helmholtz (kürzlich las ich einen Kommentar, der sich damit begnügte Helmholtz zu zitieren, um sich über den Goethe lustig zu machen,.. da bin ich lieber erstmal vorsichtig)
– Dass das „Bewusstsein“ in die Quantenmechanik gerutscht ist, halte ich für Blödsinn, und zeigt eher, dass da noch etwas ziemlich im Argen liegt mit dem Messprozess.
– Dass ist ein guter Hinweis, dass es ein wunderbarer Gedanke sei. Solche tröstenden Gedanken, Visionen oder einfach der Blick für ein grösseres Ganze wird doch oft nicht gewagt.. oder es kommt nur eine bunte Bilderschlacht a lá Hawking heraus. (Ich sehe allerdings die Stellung des Menschen nicht als so priveligiert… Es ist eher die Struktur, die Organisationsform Leben, die ich wunderbar finde. Da ist etwas entstanden, das immer komplexere, phantastische Strukturen erzeugt, bis zu Strukturen, die sich ihrer selbst bewusst werden.)
Muss man dann aber nicht auch das Ende des Reduktionismus konstatieren (sogar an jeder dieser Stufen)?
Ich war früher ein entschiedener Gegner jedweden Reduktionismus (Theory of everything & Co.), konnte aber inzwischen meinen Frieden damit machen. Ursache ist eine einfache Anmerkung von Metzinger im „Egotunnel“. Der Reduktionismus betrifft nicht den ontologischen Status der (physikalischen, chemischen, biologischen, …) Phänomene, sondern lediglich den epistemischen unserer Theorien darüber. Sowohl Reduktionismus als auch Emergentismus sagen nichts über die Wirklichkeit selbst aus, sondern lediglich etwas über unser Vermögen oder Unvermögen, Theorien aufzustellen und miteinander zu verbinden. Die Phänomene hängen ganz sicher miteinander zusammen, denn es gibt nur eine Wirklichkeit (, per Definition, das anzuzweifeln, wäre ganz sinnlos).
Und es geht auch nicht um die Richtigkeit oder Falschheit einer Theorie, sondern um ihre Zweckmäßigkeit, bestimmte Phänomene ausreichend gut zu beschreiben. So kann es sein, dass an der einen Stelle eine reduktionistische Theorie gut ist, so wie an anderer Stelle eine Theorie, die dasselbe Ding beschreibt, nicht reduktionistisch sein muss. Beispiel: Man kann das Gehirn als ein Organ beschreiben, dass sich aus chemischen Elementen zusammensetzt, die mittels chemischer Bindungen zusammenhalten. So kann man wunderschön berechnen, wieviel chemische Energie in diesem Volumen steckt und wieviel Wärmeenenergie benötigt oder freigesetzt wird, wenn man diese anderthalb Kilogramm verbrennt oder in Säure auflöst. Das ist Reduktionismus eines biologischen Organs auf seine Chemie. Auf der anderen Seite kann man aber dasselbe Organ auch in seiner Funktion als Bewusstsein produzierendes Organ betrachten. Eine Theorie darüber wird (heute?) notwendigerweise nichtreduktionistisch sein. Beide Theorien beschreiben denselben Gegenstand der Wirklichkeit.
Ok, vielleicht kann ich es noch spezifizieren. Was mir manchmal aufstösst, ist Reduktionismus á la Hawking, der dann behauptet alle möglichen Universen und deren Geschichten müssten („im Prinzip“, s. Heitler) durch die noch zu erbringende TOE beschrieben werden, also auch die mit Leben und uns darin. Ich erinnere nur an das kosmologische Prinzip, wie es auch für die Friedmann-Gleichungen verwendet wird: das Universum ist räumlich homogen und isotrop (wo ist da noch Platz für uns?). – Erstens glaubt man alles beschreiben zu können, (durch alle Komplexitätsebenen hindurch, doch dabei scheitert man doch schon am Nichtgleichgewicht und die Evolution findet ja gerade fern vom Gleichgewicht statt) und zweitens glaubt man die Beschreibung sei auch, alles was existiert.
Ich hatte an ihrer Trennung zw. Modell und Wirklichkeit, die ich auch für essentiell halte, etwas vorbeigelesen.
„Most theoretical physicists are guilty of … fail[ing] to distinguish between a measurable indeterminacy and the epistemic indeterminability of what is in reality determinate. The indetermincy discovered by physical measurmenents of subatomic phenomena simply tells us that we cannot know the definite position and velocity of an electron at one instant of time. It does not tell us that the electron, at any instant of time, does not have a definite postion and velocity. [Physicists].. convert what ist not measurable by them into the unreal and the nonexistent“ Mortimer J. Adler, 1992
(Mermin nutzt einen Review über die verborgene Variablen-Theorien, um ein bisschen über die ignoranten Physiker zu lästern, daraus stammt auch dieses Zitat – das mir hier auch zu passen schien..)
— (Ich habe den Kommentar ein bisschen korrigiert.)
In gewisser Hinsicht neige ich aber auch einem gewissen „Reduktionismus“ zu, wie ihn mein Prof vertritt: Ein einfaches Modell betrachten, nicht zu viele Modellparameter und dann genau schauen was das System macht. In einem zu grossem Parameterraum geht man leicht verloren. – Den Emergentismus meiner Jugend (die Vision vom Leben/Evolution das auf dem Rand des Chaos entlangschlittert, wie ich ihn von M. Mitchell Waldrop „Inseln im Chaos“ kennenlernte) ist vielleicht bei mir immer noch vorhanden, muss sich aber letztlich der gleichen Kritik wie auch der Reduktionismus unterziehen.
Jede Theorie reduziert natürlich die Wirklichkeit, weil Gemeinsamkeiten von Vorgängen oder Dingen beschrieben werden sollen, die zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten beobachtet worden sind, und dabei bewusst Unterschiede ausgeklammert werden. Das ist kein Reduktionismus, sondern normale Modellbildung. Natürlich ist hier das einfachere Modell zu bevorzugen (ala Ockham), nicht weil es besser ist, sondern weil wir den modellierten Vorgang so besser verstehen und untersuchen können. Reduktionismus ist hingegen der vollständige Ersatz einer Theorie durch eine andere Theorie. Wenn ein Reduktionismus der Biologie auf die Physik erfolgreich sein sollte, wäre die Biologie als Wissenschaft überflüssig. Emergentismus ist die Überzeugung, dass das entweder praktisch (schwacher) oder sogar theoretisch (starker Emergentismus) unmöglich ist.
Emergentismus vs. Reduktionismus sollte auf der Modellebene diskutiert werden, da haben Sie recht, Theorie- und Beschreibungsberech habe ich wohl schon öfter durcheinandergeworfen.
Interessant fand ich die Diskussion, die sich hier entfachte:
http://physicsandphysicists.blogspot.com/2009/05/more-really-is-different.html
(aber vielleicht weil ich da zum ersten Mal wirklich von diesen (albernen?) Grabenkämpfen zwischen Festkörper- und Elementarteilchenphysik gehört habe)
Mit Occam’s razor konnte ich nie so viel anfangen. Oft sind Theorien doch ziemlich kompliziert. Auch gerade für die Farbqualitäten bzw. Licht (=zweidimensionale Projektion des objektiven unendlich-dimensionalen Farbraums – In Helmholtz‘ Handbuch der physilogischen Optik wollte ich endlich mal schauen – Sehr beeindruckend, da kann man auch mal Goethes Farbenlehre abfällig beurteilen…) – Nun gut wenn sie zu kompliziert werden, weil Anomalien auftreten, dann ist wohl nach Kuhn die Zeit der Krise angebrochen, und das ist hier ja nicht der Fall, sondern es handelt sich, um die heute allgemein-akzeptierte Theorie, während Goethes Lehre wohl eher in die Farb-Psychologie eingeflossen sein mag..
Nur kurz zu Ockham: Auch der wird häufig missverstanden, wenn man behauptet, dass die einfachere Theorie zu bevorzugen ist, weil sie „besser“ ist. Häufig mag die einfachere Beschreibung wirklich besser sein, im Sinn von auf mehr Anwendungsfälle anwendbar. Aber Bessersein lässt sich strenggenommen nicht beweisen. Nein, die einfachere Theorie ist zu bevorzugen, weil sie einfacher zu verstehen, einfacher anzuwenden – und einfacher zu widerlegen ist. Auch das hat wieder mehr mit unserem Denken als mit der äußeren Wirklichkeit zu tun.
Diese §$%&§!-Kommentarfunktion erlaubt mir mal wieder nicht direkt darunter zu antworten. – Mit dem „widerlegen“ spielen sie vermutlich auf Popper an… und da las ich bei Kuhn gerade eine wunderbar-polemische Stelle: „Kein bisher durch das historische Studium der wissenschafltichen Entwicklung aufgedeckter Prozeß hat irgendeine Ähnlichkeit mit der methodologischen Schablone der Falsifikation durch unmittelbaren Vergleich mit der Natur.“ – So ähnlich sehe ich das mit Ockham als Meta-Heuristik. (Gut, was mich noch mehr nervt, das als Argument gegen „Gott“ zu nehmen.. und so billig die Glanz und Glorie der Wissenschaften gegen all die als Spaghettimonsteranhänger verunglimpften ausspielen zu wollen.)
Also keines der Beispiele für Physik aus der Wikipedia scheint mir wirklich geeignet: spezielle Relativitätstheorie? (nur weil man den Äther nicht findet, die komplette Definition von Raum und Zeit über den Haufen zu werfen: ‚einfach‘?) Prinzip der kleinsten Wirkung? (die mathematische Form mag heute einfach und elegant erscheinen und dass man über Variationsrechnung heute alles in drei Zeilen hinschreiben kann – Euler und Lagrange mussten die Variationsrechnung erstmal dafür bauen.. – hier wird wohl die Metaebene der Theorie vergessen und an Maupertius gedacht, der mit dem Prinzip der kleinsten Wirkung das Ökonomieprinzip der Natur verwirklicht sah, also eine Art Okham?) bei der Quantenmechanik von de Broglie, Schwinger, Feynman? (da kann ich schon gar nicht folgen, der Schwinger soll doch so mathematisch gewesen sein, dass ihn zu seiner Zeit kaum einer verstand und man lieber Zuflucht nahm bei Feynmans schönen Diagrammen?)
[Der Kuhn überzeugt mich nun aber auch noch nicht so ganz (mit seinen Paradigmata vermischt er konsequent Historie, Soziologie, Psychologie und was nicht noch alles),.. aber sozusagen an der realablaufenden Wissenschaft ist er m.E. schon näher dran…]
Vermutlich ist Metepsilonema ein gemeinsamer Bekannter von uns. Er hat mir hier Chalmers empfohlen. Nun habe ich seine „Wege der Wissenschaft“ zu Hause liegen und warte darauf, dass ich den Kopf dafür frei bekomme und Lust darauf es zu lesen. Unter dem verlinkten Artikel über Kuhn findet sich ein sehr lesenswerter Kommentar von „Ostfriese“, der Kuhn und Popper miteinander vergleicht.
Ich gehe davon aus, dass wir die Welt ohne übernatürliche Elemente beschreiben können. Dabei können diese Beschreibungen mal einfach und mal kompliziert sein. Die komplizierten Beschreibungen haben die Tendenz, mit der Zeit einfacher zu werden. Aber auch das sind alles Effekte unseres Denkens.
Allerdings können wir uns darüber hinaus die Frage stellen, was wir bei einer Addition übernatürlicher Erscheinungen gewinnen würden. – Vermutlich nichts, weil wir damit neue logische Widersprüche provozieren: Wie soll die Übernatur mit der Natur wechselwirken, wenn sie nicht zur Natur gehört? Insofern kann durchaus etwas Göttliches existieren, im Sinne von uns weit Überlegenem. Aber diese Entität kann ihrerseits die Welt nicht erschaffen haben. Hier haben sich die monotheistischen Religionen gründlich verrannt.
Ostfriese ist in seiner Weltanschauung noch konsequenter als ich. Da wir außerhalb unseres Denkens nichts über die Welt herausfinden können, verneint er diese Trennung von Objektebene und Beschreibung. Ich habe damit manchmal Probleme, weil mir diese Trennung besser erklärt, was passiert, wenn sich eine unsere Theorien als falsch erweist – nicht die Welt ändert sich, sondern bloß ihre Beschreibung.
Nur kurz: Übernatürliches braucht es doch nicht einmal. Metaphysik reicht doch völlig aus, oder? (für ein Seminar durften wir jetzt Kants Antinomienlehre lesen, der hat mich sehr überrascht, geistreich und witzig geschrieben und auch tastend, auf dem schwankenden Boden einer Vernunft, die überhaupt noch nicht weiß, ob sie mit sinnvollen Begriffen operieren kann oder darf.. – und die Idee „Welt“ kann man nun zulassen oder auch nicht, wenn ja, dann so überschreitet man schon den Bereich der Erfahrung – bin mal gespannt auf seine Auflösung von freier Wille contra Naturnotwendigkeit)
Einfachheit und Eleganz der Naturbeschreibung: ja. (zwei kleine Fragezeichen lassen sich eventuell setzen. In der FAZ las ich von einer Biographie von Lennard, der als Experimentalphysiker großes Misstrauen gegenüber dem Übergewicht der theoretischen Physik und der Mathematik hat – nun ist er, wie auch Stark, durch die Verstrickung in den NS nicht gerade von bestem Leumund – aber vielleicht sollte man doch wieder an die Experimente und Naturbeschreibung denken… wenn auch der Weg der Physik ein anderer zu sein scheint wie z.B. die ART unter Beweis stellt. — zweitens wird die Beschreibung knapper und mächtiger {wobei ich ein bisschen skeptisch bin, ob man einige Anomlien, widersprüche dann nicht auch einfach vergisst..}, aber trotzdem sehen wir uns doch einer unglaublichen Fragmentierung und Einzelwissenschaften gegenüber)
[…] Heitler widmete sich 1960 gerade jenem Problem. Nur wollte er wohl umgekehrt die Teleologie der Lebewesen […]